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Im Namen der Liebe

Von 11. Januar 2019Blog

Ein romantischer Titel für unseren ersten Blog im neuen Jahr. Auf den ersten Blick auch ein wirklich schönes Thema. Es geht um die 10. Große Strafkammer beim Landgericht Augsburg. Deren Vorsitzender ist mit einer Richterin liiert, die der Strafkammer ebenfalls angehört, was der Strafkammer nicht nur in der Boulevardpresse, sondern sogar in einer (gewiss lustig gemeinten) Pressemitteilung des Landgerichts die Bezeichnung „Liebeskammer“ eingetragen hat. Am Landgericht ist das Liebesverhältnis ein offenes Geheimnis, ebenso wie der Umstand, dass Richter und Richterin zusammenleben. So weit, so anrührend.

Die 10. Große Strafkammer hat unlängst eine Steuerstrafsache verhandelt und den dortigen Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 13 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Im Prozess hatte der Wahlverteidiger des Angeklagten für diesen mehrere Ablehnungsanträge (“ Befangenheitsanträge“) gestellt, gestützt darauf, dass das Gericht das Näheverhältnis der beiden Kammermitglieder nicht von sich aus, sondern erst auf einen Fragenkatalog des Verteidigers hin offen gelegt habe. Sämtliche Anträge wurden durch das Gericht zurückgewiesen.

Das Thema beherrschte in der Folgezeit den Prozess offenbar mehr als der eigentliche Verhandlungsgegenstand. Der Vorsitzende Richter nahm die Anträge des Wahlverteidigers offenbar persönlich und zeigte sich in der Hauptverhandlung in einer Weise verärgert, die den Wahlverteidiger möglicherweise befürchten ließ, das werde mit seinem Mandanten heimgehen. Er legte daraufhin das Mandat nieder, was das Landgericht zu der (später korrigierten, da falschen) Pressemitteilung veranlasste, der Angeklagte habe dem Wahlverteidiger das Mandat gekündigt.

Der Angeklagte plauderte nun in der Hauptverhandlung aus dem Nähkästchen und gab an, der Wahlverteidiger habe bei einem Haftbesuch ihm gegenüber geäußert, er werde ihn jetzt aus der Untersuchungshaft „rausholen“, ihm sei etwas zu Ohren gekommen, Vorsitzender Richter und Beisitzerin seien liiert, mit einem Ablehnungsantrag könne der Prozess zum Platzen gebracht werden.hierzu kam es indessen nicht.

Gericht und Staatsanwaltschaft nahmen das Ausscheiden des Wahlverteidigers wohlwollend zur Kenntnis. Im Schlussvortrag des Staatsanwalts nahmen die Geschehnisse um den Ablehnungsantrag rund 15 Minuten in Anspruch, der Vorsitzende Richter wiederum bezeichnete den Wahlverteidiger in der mündlichen Urteilsbegründung als „mutmaßlichen Drahtzieher“ einer verfehlten Verteidigungsstrategie.

In Juristenkreisen ist die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs zustimmend kommentiert worden. Anders als bei einer Liaison zwischen Richter und Staatsanwalt oder Richter und Verteidiger könne eine Liebesbeziehung unter Kammermitgliedern die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Vor allem sei nicht zu befürchten, dass bei einer solchen Beziehung einer der Partner dem anderen seine Meinung aufdränge, etwa der Vorsitzende seiner Beisitzerin, denn in Liebesbeziehungen sei ja unter Umständen eher noch mit einem „Widerwort mehr“ zu rechnen.

Wir meinen: Diese Betrachtung greift zu kurz und geht an der Sache vorbei. Problematisch im Augsburger Fall dürfte nicht die Liebesbeziehung an sich gewesen sein, sondern der Umstand, dass das Gericht sie nicht offengelegt hat. Derartiges aber wird man wohl verlangen können, da ansonsten der von der Entscheidung Betroffene in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt wird (so zutreffend OLG Jena Beschl. v. 15.08.2016, Az, 1 Ws 305/16). § 30 StPO sieht immerhin ausdrücklich die Anzeigepflicht eines Richters im Hinblick auf Verhältnisse vor, die seine Ablehnung rechtfertigen könnten. Ein offener Umgang mit der bestehenden Liebesbeziehung hätte jedem Ablehnungsantrag den Wind aus den Segeln nehmen können. Wer ein solches Verhältnis verschweigt, macht sich allein aus diesem Grund verdächtig, denn er muss sich fragen lassen, was er zu verbergen hat.

Sie sehen: So romantisch war die Geschichte dann doch nicht. Ihr Verlierer ist eher nicht der Wahlverteidiger, der in prozessual zulässiger Weise agiert und um die Rechte seines Mandanten gekämpft hat. Verloren hat vielmehr der unsouverän agierende Vorsitzende Richter, von dem man jetzt gerne noch sagen würde, er habe sich wohl auf den Schlips getreten gefühlt. Der Mann ist jedoch Fliegenträger, und von denen sagt man, sie seien nicht die einfachsten Zeitgenossen.

Sein wackerer Kampf gegen den bösen Wahlverteidiger hat dem Vorsitzenden eine gerichtsinterne Versetzung eingetragen: Er wird Vorsitzender einer Kammer für Baurecht. Das will er sich schon lange gewünscht haben. Wer´s glaubt…

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